Was hat ESG mit Human Resources zu tun?

Auf den ersten Blick nicht viel. Aber: weit gefehlt! Seit Jahren beschäftigen sich nicht nur globale Unternehmen mit den Themen, die heute unter Schlagworten wie ESG, Nachhaltigkeit und Green Compliance in aller Munde sind. The Human Capital", die Arbeitnehmer, stehen heute mehr denn je im Mittelpunkt erfolgreich agierender Unternehmen. Unter dem Oberbegriff Compliance" arbeiten Vorstände, PR- und Public-Policy-Teams, Personalabteilungen und – in mitbestimmten Unternehmen – Betriebsräte an immer komplexeren Codes of Conduct. Und das nicht erst seit dem jüngsten ESG-Hype.

Was sind die arbeitsrechtlichen Fragen?

In den heutigen Coronazeiten fallen einem sofort Themen wie Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz, Arbeitszeitregelungen, Arbeitnehmerdatenschutz, aber auch Faktoren wie Vielfalt, Geschlechtergleichheit und Mitarbeiterzufriedenheit ein. Zu einigen dieser Themen hat die EU-Kommission in jüngster Zeit weitreichende Berichtspflichten kodifiziert: So sieht die EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen, Corporate Sustainability Reporting Directive" (CSRD), Regelungen und Berichtspflichten für Unternehmen zu Gesundheitsschutz, Sicherheit am Arbeitsplatz und

Gleichstellung vor. Deren Verabschiedung ist für das zweite Quartal 2022 geplant. Ab 2023 sollen dann diese weitreichenden Berichtspflichten in Kraft treten. Auswirkungen wird das auf alle messbaren Leistungsfaktoren haben, aber darüber hinaus auch auf die Einhaltung von Sorgfaltspflichten in Umwelt- und Sozialfragen im weitesten Sinn. Die CSRD-Berichtspflichten reichen von Arbeitsbedingungen unter Gesundheits- und Sicherheitsaspekten über Work-Life-Balance und Diversity-Themen bis hin zur Einhaltung von Menschenrechtsstandards. Letztere werden insbesondere im Bereich der globalen Lieferketten von Bedeutung sein. Das bereits angekündigte EU-Lieferkettengesetz (LkSG) wird voraussichtlich noch strengere Regelungen zur Sorgfalts- und Berichtspflicht enthalten als das deutsche LkSG. Insbesondere sollen Bonuszahlungen an Manager direkt mit der Einhaltung von Sorgfaltspflichten unter dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz verknüpft werden.

Ohne Zweifel haben ESG-Themen mittlerweile in den Alltag von Geschäftsführungsetagen und Personalabteilungen Einzug gehalten. Hinzu kommt, dass die Unternehmen mit einer sich ständig verjüngenden Belegschaft konfrontiert sind. Es steht außer Frage, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter immer anspruchsvoller werden, was die Attraktivität des Arbeitsplatzes und Zufriedenheit damit, ein soziales Umfeld und ein klares Bekenntnis zu Umweltfragen und Klimaschutz angeht. Die Generation Z, Geburtsjahrgänge der späten 1990er bis frühen 2010er Jahre, wird in den nächsten fünf Jahren bereits mehr als 70% der Belegschaft ausmachen. Im oft zitierten War for Talent", dem Wettlauf um den besten Nachwuchs, werden Unternehmen daher ohne eine nachhaltige und glaubwürdige ESG-Bilanz nicht mehr wettbewerbsfähig sein.

Keine Nachhaltigkeit ohne Compliance

Nicht erst seit den Bestechungs- und Korruptionsfällen, in die große Namen der deutschen Industrie und Wirtschaft verwickelt sind, ist das Thema Compliance" zentraler Bestandteil einer integren Unternehmensführung. Jedes illegale Verhalten, jeder Korruptions- oder Bestechungsvorwurf schadet dem Ruf und der Unternehmenskultur immens. Um den ständig steigenden regulatorischen Anforderungen im 21. Jahrhundert gerecht zu werden, bedarf es klarer Regeln und der ständigen Einhaltung strenger Richtlinien.

In den vergangenen Jahren wurden praktisch ununterbrochen Complianceabteilungen eingerichtet und Compliancebeauftragte in die Vorstände berufen. Rechts- und Personalabteilungen tun gut daran, das eigene Management und die gesamte Belegschaft kontinuierlich zu sensibilisieren. Interne (und externe) Abläufe werden in verbindlichen Verhaltenskodizes, umfassenden Verhaltensbüchern, festgeschrieben. Unternehmens- und Führungskulturen werden definiert oder dort geschaffen, wo sie nicht vorhanden sind. All dies wird aber nur dann erfolgreich sein, wenn Compliance auch im Alltag vom Vorstand, dem C-Level-Management, Top to Bottom" vorgelebt und praktiziert wird. Das alles geschieht, um möglichst viele Risiken zu minimieren, die Geschäftsbeziehungen zu den Kunden zu optimieren und die sozialen Belange im Rahmen eines nachhaltigen Personalmanagements sicherzustellen

Global tätige Unternehmen haben langjährige und oft kostspielige Complianceerfahrungen, nicht zuletzt im Bereich der Einhaltung des Arbeitnehmerdatenschutzes. Datenschutzverstöße haben zu erheblichen Bußgeldern geführt, und die ebenfalls auf Basis einer EU-Richtlinie eingeführte Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) hat in diesem Bereich klare Anforderungen normiert, die in der Unternehmenspraxis zu einer Vielzahl von kostenintensiven technischen und organisatorischen Maßnahmen geführt haben.

Um den ständig steigenden regulatorischen Anforderungen im 21. Jahrhundert gerecht zu werden, bedarf es klarer Regeln und der ständigen Einhaltung strenger Richtlinien."

Die CSRD-Richtlinie muss bis spätestens Dezember 2022 in nationales, deutsches Recht umgesetzt werden. Unternehmen sind gut beraten, mit Due-Diligence-Prüfungen zu beginnen, um rechtzeitige Maßnahmen zur betrieblichen Umsetzung in die Wege zu leiten. Bei mitbestimmten Unternehmen werden unter Umständen zeitaufwendige Beratungen mit den örtlichen Betriebsräten zusätzlich Zeit und Aufmerksamkeit erfordern. In einem ersten Schritt wird die Richtlinie für große Unternehmen von öffentlichem Interesse gelten, also für Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten, und somit alle börsennotierten Unternehmen, vor allem Banken, Finanzinstitute und Versicherungsunternehmen, betreffen. Wenn es bei dem aktuellen Zeitplan bleibt, werden in einem zweiten Schritt dann die Verpflichtungen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung ab 2026 auch auf kleinere und mittlere Unternehmen von öffentlichem Interesse ausgeweitet.

Bekannte Themen, die derzeit im Zusammenhang mit Whistleblowingregelungen diskutiert werden, werfen auch hier vergleichbare Fragen auf: Sind in Konzernstrukturen getrennte Meldungen erforderlich, oder dürfen sich Tochtergesellschaften auf Konzernmeldungen verlassen? In internationalen Zusammenhängen wird dies globalen Unternehmen zweifellos Kopfschmerzen bereiten.

Diversity und flexiblere Arbeitszeiten

Diversity ist ein weiteres Schlagwort unserer Zeit. Was hat Diversity mit Nachhaltigkeit zu tun, und in welchem Zusammenhang steht das leidige Thema des veralteten Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) mit ESG?

In immer mehr Unternehmen sind heute Menschen unterschiedlicher Herkunft und kultureller Zugehörigkeit beschäftigt. Alter, sexuelle Orientierung, ethnische Herkunft, Religion und Weltanschauung stellen jede Personalabteilung und jede Führungsebene vor große Herausforderungen. Zugleich bietet die Vielfalt offensichtliche Vorteile. In vielfältigen Teams werden Probleme aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet und meist schneler und vor allem kreativer gelöst. Im Umgang mit Kunden und globalen Ausschreibungen werden Unternehmen ohne echte, gelebte Vielfalt nicht mehr wettbewerbsfähig sein. In diesem Zusammenhang gilt auch, dass junge Spitzentalente sehr genau auf das soziale Umfeld ihres Arbeitgebers schauen. Die Aus- und Weiterbildung – im Grunde die Bildung – der Mitarbeiter erfordert vielschichtige Förderprogramme und Initiativen.

Corona war nur der Anfang. Die Arbeitszeit muss in Deutschland völlig neu gedacht werden. Daran führt kein Weg vorbei, auch wenn sich der deutsche Arbeitsminister hartnäckig dagegen wehrt und trotz aller Appelle von Arbeitsrechtsexperten stur am Arbeitszeitgesetz festhält. Das Arbeitszeitgesetz ist nicht 100 Jahre alt wie unser Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), das kürzlich von der neuen Ampelkoalition mehr als fragwürdig modernisiert wurde. Aber die strenge Fünf-Tage-Woche Nine to Five" geht an der heute gelebten Realität vorbei. Die Generation Z wird in Zukunft noch flexiblere Arbeitszeitmodelle einfordern als heute, sei es mobiles, agiles oder hybrides Arbeiten.

Ein kreativer und flexibler Umgang mit dem Thema Arbeitszeit wird die Nachhaltigkeit in Unternehmen drastisch fördern. Am Ende werden nur die Unternehmen wettbewerbsfähig sein, die nicht achselzuckend und mit Blick auf ein längst überholtes Gesetz alles beim Alten lassen.

Fazit

Nachhaltigkeit ist im deutschen Arbeitsrecht längst angekommen – keine Frage. Es gibt viel zu tun – getreu dem Motto des Koalitionsvertrags: Mehr Fortschritt wagen!". Im Einklang mit den von Seiten der EU vorangetriebenen Themen wie Datenschutz, Whistleblowing sowie Lieferkettenschutz werden die Verpflichtungen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung die Komplexität bereits bestehender Complianceregelungen erheblich erhöhen. Gerade auch HR-Abteilungen werden den Druck der ESG-bezogenen Anforderungen und Pflichten im Zentrum ihrer Verantwortung spüren.

Schon heute zeigt sich, dass Banken und andere Kapitalgeber Geschäftsbeziehungen mit ihren Kunden hinsichtlich der Beachtung von Nachhaltigkeitsaspekten auf den Prüfstand stellen. Dies gilt insbesondere für größere Unternehmen, vermehrt aber auch für kleinere und mittlere Betriebe. Für die Unternehmen, die bislang keinerlei Nachhaltigkeitskonzept umsetzen, steigt das Risiko zunehmend, Finanzierungen oder andere Bankleistungen künftig teurer bezahlen zu müssen. Daher empfiehlt es sich, frühzeitig diverse Maßnahmen zur Steigerung der Nachhaltigkeit zu ergreifen, um wettbewerbsfähig zu bleiben – nicht nur mit Blick auf die gestiegenen Anforderungen der Banken oder den eigenen Produkt- und Leistungsabsatz, sondern auch, um attraktiv für Mitarbeiter und Bewerber zu bleiben.

Originally published in Deutscher Anwaltspiegel, no. 14/2022, p. 10-12

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